Montag, 2. Mai 2016

Krankenschwester – ein Beruf im Wandel der Zeit.

Krankenschwester – ein Beruf im Wandel der Zeit.

Florence Nightingale gilt bis heute als Gründerin der modernen Krankenpflege. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten Krankenschwestern einen äußerst schlechten Ruf und wurden gleichgestellt mit Prostituierten oder als solche behandelt.

Der Einsatz der britischen Pflegerin Nightingale im Krimkrieg 1854, bei dem sie mit weiteren vierzig Kolleginnen englische Soldaten pflegte, erlangte weltweit große Aufmerksamkeit. Der Beruf „Krankenschwester“ wurde gesellschaftsfähig. Die Vorstellung, die die Bevölkerung von Nightingales Tätigkeit hatte, prägte das Image der Krankenschwester: Selbstlos und aufopfernd. Männer waren zu jener Zeit in der Krankenpflege weitgehend unbekannt.

In dieser Zeit entstanden in konfessionellen Orden Krankenpflegeschulen. Dort wurden ausgesuchte Frauen unter religiösen Gesichtspunkten als Pflegerinnen ausgebildet. Dabei blieb der intellektuelle Anspruch gering. Pflege wurde als Berufung angesehen und der Glaube stand darüber. Eine Schwester trug Tracht mit Schürze und Haube.

1860 richtete Florence Nightingale am St. Thomas-Hospital in London die erste nicht konfessionelle Krankenpflegeschule ein. Weitere Schulen entstanden in Nordeuropa und den USA. Mit dem Fortschritt in Diagnoseverfahren und Therapien wurden auch die Ausbildungsinhalte der Krankenschwestern erweitert und verbessert.

Das erste bundesdeutschen Krankenpflegegesetz 1957 regelte die Ausbildung einheitlich. Zu den Tätigkeiten einer Krankenschwester gehörten nun beispielsweise Spritzen verabreichen, Verbände anlegen oder Blutzuckeruntersuchungen, die bis dahin den Ärzten vorbehalten waren. Der Beruf verlangte jetzt Eigenständigkeit und gutes medizinisches Wissen. In der Bevölkerung aber blieb das Image der selbstlosen Helferin, was sich noch Jahrzehnte fortsetzte. Die Anrede Schwester und Vorname ist bis heute üblich.

Das Image blieb, die inhaltlichen Anforderungen stiegen seit Anfang der 1970er Jahre rasant. Wie auch in naturwissenschaftlichen Bereichen, entstand im Pflegeberuf die Spezialisierung auf Fachgebiete. Heute gibt es beispielsweise Fachkrankenschwestern für Dialyse, Intensivmedizin, Geriatrie oder Hygiene. Der intellektuelle Anspruch stieg mit den Erfordernissen in der medizinischen Versorgung. Damit wurde der Beruf auch für Männer interessant. Krankenpflegeschulen bemühten sich in den 1990er Jahren bei den Bewerbern um Abiturienten, während bis dahin Realschulabsolventen genügten.

Das Berufsbild erfuhr noch einmal grundsätzliche Veränderungen in den letzten zwanzig Jahren. Seit 2004 lautet die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Viele Krankenhäuser, selbst Universitätskliniken, gingen in Privathand über. Weiterhin entstanden eigenständige private Kliniken. Es handelte sich um Wirtschaftbetriebe, die wie alle anderen Unternehmen den Gesetzten der freien Marktwirtschaft und vor allem dem Wettbewerb unterlagen. Damit verschwand der karitative Ursprung aus dem Berufsbild der Pflegenden. Wirtschaftliches und serviceorientiertes Handeln bekamen den höchsten Stellenwert. Das Anforderungsprofil erweiterte sich ebenfalls mit dem Fortschritt der elektronischen Datenverarbeitung.

Die Tätigkeit der heutigen Gesundheits- und Krankenpflegerin ist anspruchsvoll und vielfältig. Sie orientiert sich am Servicegedanken und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Gutes medizinisches Wissen, Flexibilität und selbständiges Handeln prägen das Bild der Pflegefachkraft. Um Anforderungen im weiteren Umfeld des Patienten zu erfüllen, werden Organisationsfähigkeit und EDV Kenntnisse erwartet. Im intensivmedizinischen Bereich sind mehr Eigenverantwortung und technisches Verständnis Voraussetzung.

Die Grundausbildung dauert drei Jahre. 2009 gibt es weit mehr offene Stellen als Bewerber.Das soziale Ansehen der Pflegenden ist in den letzten zwanzig Jahren nicht nennenswert gestiegen. Die Entlohnung sowie die Arbeitszeiten sind unattraktiv und in den Köpfen der Bevölkerung ist er noch immer da – der Hauch von Florence Nightingale.

Freiberufliche Krankenschwester – wie geht denn das?

Freiberufliche Krankenschwester – wie geht denn das?

Dem einen oder anderen Kollegen wird sie schon mal begegnet sein: eine „Leihschwester“, die auf eigene Rechnung arbeitet. Nun, ich bin so eine. Seit nunmehr acht Jahren auf Reisen.

Honorarpflegekräfte gibt es schon seit vielen Jahren, was in der Öffentlichkeit, und selbst bei vielen Ämtern nicht bekannt war. Bei der Anmeldung meiner Tätigkeit musste ich enorme Kräfte aufbringen, um aus „Pflegedienst“ „freiberuflich“ zu machen. Wer mal wirklich dumme Gesichter sehen will, sollte diesen Prozess durchlaufen.

Wie sieht die Praxis aus? Die Anmeldung ist in den Bundesländern unterschiedlich. Ich habe mich beim Gesundheitsamt angemeldet, Berufszeugnis vorgelegt und mich beim Finanzamt als Selbständige gemeldet. Das war alles an Behördenkram. Ganz einfach – bis hierher. Ab diesem Zeitpunkt ist man selbständig und trägt die Ausgestaltung des Geld verdienen allein. Da fangen die Herausforderungen an. Wie komme ich an Kunden/Aufträge? Wo wohne ich, wenn der Auftrag Jwd liegt? Wie sollen meine Rechnungen aussehen und wie oft soll ich sie schreiben? Was, wenn ein Kunde nicht zahlt?

Methodisch vorzugehen lohnt. Zunächst habe ich einen einseitigen Profilbogen erstellt. Ein gut gemachtes Bild, persönliche Daten und, natürlich hervorgehoben, was ich fachlich sehr gut beherrsche auf eine Seite gebracht in gefälliger Struktur. So, das ein Personaler nach lesen dieser einen Seite denkt:“Alte Schachtel, aber die kann wat!“
Mit diesem Profilbogen habe ich Agenturen angeschrieben, welche Honorarpflegekräfte an Kliniken vermitteln. Diese Agenturen (Agenturen sind ein ganz spezielles Thema, zu dem ich noch einen Post verfassen werde) findet man im Internet.
Zuvor erstellte ich eine Kalkulation (Kosten/Aufwand/Erlöse/Gewinn), die die Honorarforderung erbringt.
Ein Anruf der Agentur: Klinik xy braucht Fachpflegekraft von bis. Zugesagt. Jetzt suchte ich mir ein Zimmer/ möblierte Wohnung/ Ferienwohnung je nach Buchungslänge in der Nähe der Klinik.

Inzwischen hatte ich mir ein Logo gebastelt, das alle Geschäftsdokumente von mir ziert. Ebenso eine Rechnungsvorlage in Excel, in die ich nur noch Beginn und Ende der Tagesarbeitszeit eintragen musste.

Auftrag war abgearbeitet und die Rechnung beglichen. So funktioniert es...............wenn die Deutsche Rentenversicherung nicht wäre!.............

Stolpersteine gibt es überall – auch bei uns. Lest im nächsten Post: Die Deutsche Rentenversicherung und die Honorarpflegekräfte an sich.


Kann ein bischen dauern, aber ich bin dran

Freitag, 15. Januar 2016

Galerie

Die Bilder stehen zur freien Verfügung, müssen aber mit einem Quellenlink gekennzeichnet sein. Es kommen immer mal wieder neue hinzu.









Montag, 4. Januar 2016

Das Ideal


von Kurt Tucholsky

Ja, das möchste: 
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, 
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; 
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, 
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn - 
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.
Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn! 
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
 
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
 
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
 
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
 
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -
 
eine Bibliothek und drumherum
 
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste, 
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
 
natürlich selber - das wär ja gelacht!
 
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.
Ja, und das hab ich ganz vergessen: 
Prima Küche - erstes Essen -
 
alte Weine aus schönem Pokal -
 
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
 

Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
 
Und noch ne Million und noch ne Million.
 
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
 
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.
Ja, das möchste!
Aber, wie das so ist hienieden: 
manchmal scheints so, als sei es beschieden
 
nur pöapö, das irdische Glück.
 

Immer fehlt dir irgendein Stück.
 
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
 
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
 
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
 
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.
Etwas ist immer. 

Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich. 
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten. 
Daß einer alles hat: 
  das ist selten.

Lebensherbst

     
    
von Annegret Kronenberg

Ein Pärchen im greisen Alter
sitzt verträumt an einem Hang.
Er streichelt ihre welken Hände,
die treu geschafft ein Leben lang.

Sie ist für ihn ein Edelstein,
eine Kostbarkeit, die nie vergeht;
er ist für sie ein Felsgestein,
das allen Stürmen widersteht.

Es herbstelt schon, und matte Strahlen
schimmern durch das bunte Laub.
Lange Schatten Bilder malen
auf der Wege dunklem Staub.

Taumelnd schweben müde Blätter
den beiden Alten vor den Fuß.
Übermüt´ge Frühlingsträume
winken jetzt zum Abschiedsgruß.

Weltentrückt in fremde Sphären,
ahnt jeder, was der andre denkt,
hoffend, dass nicht er es wäre,
der als letztes Blatt am Baume hängt.

Samstag, 12. Dezember 2015

Der verschwundene Anästhesist



Montagvormittag, Saal drei im Zentral OP. Es ist einer meiner ersten Einsätze als Freiberuflerin.
Bisher hat alles gut geklappt. Peter, mein Anästhesist, ist im dritten Jahr der Facharztweiterbildung und ganz umgänglich.

Gerade haben wir einen 62-jährigen Patienten eingeleitet, es ist eine offene beidseitige Leistenbruch OP vorgesehen. Während das OP Team mit abwaschen, abdecken und Team-Time-Out beschäftigt ist, räume ich meine Utensilien auf.

Mit dem benutzten Spatel und Führungsstab in der rechten und diversem Altglas in der linken Hand stehe ich an der der Tür und warte den OP Beginn ab. Peter tänzelt auf mich zu. "Du Maja, ich geh mal schnell eine rauchen." Ich schaue ihn überrascht an. "Wo willst du denn hier eine rauchen?" "Na unten im Hof, wie immer."

Wir sind in der vierten Etage, Rufweite kann man das wohl nicht nennen. "Also Doktor, das geht nicht. Ich bin den ersten Tag hier und damit noch handlungseingeschränkt."  Mein Einwand beeindruckt ihn nicht. "Ach komm, sind doch nur ein paar Minuten. Deine Kollegen haben nie etwas dagegen." Nun stampft der Operateur mit dem Fuß auf. "Samma, habt ihr es endlich da vorne? Die Tür zu und Ruhe wär janz schön."

Na Toll! Ich will auch Ruhe und keinen Streit. "OK, welches Telefon haste einstecken?" Peter schaut mich belustigt an. "Telefone am Mann haben hier nur die Oberärzte und der Chef, aber ich hab einen Pieper mit. Du musst 13267618 wählen, dann die Apparatnummer, von der du anrufst, und dann 00 für gleich kommen oder 01 für Rückruf." Ungläubig starre ich ihn an! Er grinst und geht.

"Anästhesiiiie! Bitte den Tisch erhöhen und neigen!" meldet sich der Operateur. "Nach rechts oder links neigen?" frage ich während der Tisch hochfährt. "Immer gen Süden neigen." Ich schaue ihn an. Jemand  kichert verhalten, irgendwo gluckst es. Wo soll hier Süden sein? Auch er schaut mich an. "Gestatten, mein Name ist Syden. Hätten sie sich vorgestellt, hätten wir das auch getan, dann hätten sie gewusst, wohin der Tisch geneigt wird." Ich steh da wie ein kleines Mädchen mit knallroten Ohren. Das sollte mir nie wieder passieren!
Der Patient bekommt noch etwas Opiat und eine neue Infusion. Vital-und Beatmungswerte sind stabil. Ich führe das Narkoseprotokoll. Mein lieber Doktor hat noch nix geschrieben.
Dr.Syden schnauft. "Schwester Maja, können sie mal gucken, ich hab da was am Bein. Und können sie mal ne Weile das Heizdingens ausmachen, ich hab ganz heiße Eier." Ich schalte die Wärme aus – gebratene Eier in Saal drei geht natürlich nicht! Unter den Tüchern suche ich sein Bein. Er quiekt. "Das ist nicht mein Bein, Mensch! Ich stoße mit dem Knie immer irgendwo gegen!" Aha, der Armausleger! Hatte er den nicht selbst in Position gebracht? Na egal. Im Dunkeln, zwischen vielen Kabeln, ziehe ich die Armstütze weiter nach außen.

Wieder aufgetaucht fällt mein Blick auf die Uhr. Was ist denn eigentlich mit meinem Doktor? Der ist jetzt seit 40 Minuten weg. Raucht er in Zeitlupe oder eine ganze Schachtel? Ich bitte den OP Springer ihn anzufunken. Mürrisch kommt er der Bitte nach. Sogar nach zehn Minuten noch einmal. Keine Reaktion. Auch Dr.Syden bemerkt nun den Verlust. "Sagen sie mal, wo ist denn ihr Anästhesist? Auf dem Klo kollabiert?" "Ich gehe nicht aufs Männerklo"

In dem Moment erscheint einer der anästhesiologischen Oberärzte. "Schwester Maja, ist hier alles in Ordnung? Ah ja, ich sehe schon, sie haben alles im Griff. Ach übrigens, Peter kommt erst mal nicht wieder. Der ist mit einem verstauchten Knöchel in der Notaufnahme. Wenn sie ausleiten wollen, rufen sie mich an, 1050. Ich muss weiter." Und schon ist er raus.

Unwillkürlich muss ich an einen alten Witz denken: Zwei Chirurgen finden einen zusammengebrochenen Anästhesisten. "Komm, wir stecken ihm die Hände in die Taschen, dann siehts aus wie ein Arbeitsunfall."

Zum Ausleiten kommt dann nicht jener Oberarzt, sondern Frau Dr.Rammbock. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, rauscht sie in den Saal. Gas aus, Flow hoch und Tuch runter! Verärgert richtet sich Dr.Syden auf. Seine Assistentin versucht sich gerade mühsam an der Naht. "Frau Kollegin, wir sind noch nicht fertig!" Laut und bestimmt kommt die Antwort: "Na dann beeilen sie sich mal. Der Patient wird demnächst wach." Der Chirurg scheint solche Szenen zu kennen. Er übernimmt das Zunähen. Mit dem letzten Stich erfolgt die Extubation. "Na bitte, geht doch." murmelt die Oberärztin.


Nachdem ich gefragt werde, ob ich etwas länger bleiben könnte, geht mein erster Tag hier um 18:00 Uhr zu Ende. Mit gemischten Gefühlen blicke ich den kommenden Wochen entgegen.

Montag, 16. November 2015

Über den Tellerrand

Sie  hatte warten müssen. Es war schon fast 11 Uhr, als sie mir in die OP Schleuse gebracht wurde. Freundlich lächelnd schaute sie mich an.

Die Kollegin, welche sie brachte, machte sich gleich wieder auf den Weg. Auch in dieser Klinik, einem Maximalversorger, war der Personalmangel überall zu spüren. Mein Einsatz hier als Honorarpflegekraft in der Anästhesie sollte dem etwas entgegen wirken. Auf den Stationen gab es solche Entlastung leider nicht.

Ich überflog kurz die Unterlagen. Fältchen,Luise, 74 Jahre alt, vorgesehen zur Hüft-TEP rechts. In der Vorgeschichte waren noch ein Diabetes mellitus sowie eine Demenz vermerkt.
“Guten Morgen, Frau Fältchen, wie geht es ihnen?” Sie lächelte liebenswürdig und nickte. Um Zeit zu sparen, glich ich ihre persönlichen Daten mit Hilfe des Armbändchens ab. Die Zeiten zwischen dem Ende einer OP und Beginn der nächsten müssen möglichst kurz gehalten werden. Ich schob den OP Tisch neben ihr Bett. “Haben sie heute etwas gegessen oder getrunken?” Wieder nickte sie freundlich. Ich schaute auf. Eindringlich fragte ich sie erneut.
Ihr Lächeln verschwand. “Ja, hab ich doch gesagt!”

Gesagt hatte sie bisher noch gar nichts, dafür jetzt umso deutlicher. Neben mir tauchte der Orthopäde auf. Er hatte die Äußerungen von Frau Fältchen mitbekommen. "Sie ist dement, das nehmen wir jetzt mal nicht so ernst." "Sie  vielleicht nicht, ich schon." Drohend baute er sich vor mir auf. "Was fällt ihnen…." "Mir fällt eine ganze Menge ein, zum Beispiel die Sicherheit meiner Patienten." "Sie halten den ganzen Betrieb auf!"  Mittlerweile hatten sich einige Zaungäste eingefunden, die interessiert zuhörten. Auch den zuständigen Anästhesisten sah ich heraneilen.

Ich ließ ihn stehen und rief die Station an. Nein, Frau Fältchen hätte ganz sicher kein Frühstück bekommen, versicherte die Kollegin, sie selbst habe das Frühstück ausgeteilt. Nun waren sich Operateur und Narkose Doc einig, die Patientin sollte operiert werden. Skeptisch betrachtete ich die alte Dame. "Frau Fältchen, was gab es eigentlich zum Frühstück?" Sie lächelte wieder und setzte sich auf. "Ein schönes Käsebrötchen, hat mir mein Sohn gestern mitgebracht – für alle Fälle! War genau richtig, denn heute Morgen haben sie mich beim Frühstück vergessen! Und meine Nachbarin wollte ihren Tee nicht, den hat sie mir geschenkt! Jawoll!"
Beide Doktoren sahen mich an als hätte ich ihr das Brötchen gegeben.
"Back to sender und bestell den Nächsten." Der Narkose Doktor war genervt, der Operateur geladen.

Ich denke, dass niemand der alten Dame gesagt hatte, dass sie vor der Operation nichts essen und trinken darf. Die Diagnose Demenz verleitet auch Fachleute zu einem bestimmten Bild des Patienten. Offenbar hatte auch der Orthopäde nie über seinen fachlichen Tellerrand hinausgeschaut.